Montag, 16. Mai 2016

REVIEW: Eurovision Songcontest 2016

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Der Eurovision Songcontest - Jedes Jahr auf´s neue stelle ich mir selber die gleiche Frage: "Warum guckt ein Heavy Metal Fan und Liebhaber von anspruchsvoller Musik eigentlich diese Sendung?" Eine richtige Antwort habe ich darauf eigentlich nie! Meistens ist es einfach die Neugier, welche skurrilen Figuren und seltsames Liedwerk dem Zuschauer präsentiert werden. Dieses Jahr war allerdings der deutsche Vorentscheid ein Pflichttermin, denn mit Avantasia stellte sich einer meiner absoluten Lieblingsbands dem Voting der deutschen Mainstream-Familie - die Chance mal richtig gute Musik zum Eurovision Songcontest zu schicken. Leider landete die Band von Tobias Sammet nur auf einem sehr guten dritten Platz. Stattdessen durfte das "Manga-Girl" Jamie Lee mit ihrem Song "Ghost" nach Stockholm fahren und uns dort repräsentieren. Im Vorfeld rechnete ich der jungen Dame dabei sogar gute Chancen aus. Sie ist jung, sieht relativ niedlich aus, hat eine gute Stimme, trägt ein total beklopptes Outfit und bringt einen eingängigen Song mit. Alles Qualitätsmerkmale, für viele Punkte und eine hohe Platzierung - denkste! Der Eurovision Songcontest 2016 wurde für mich zum absoluten Ärgernis und außerdem als das genutzt, was er nie sein sollte: eine politische Bühne. Aber schön der Reihe nach.

                              Mans Zelmerlöw und Petra Mede führten uns charmant durch den Abend.
Die Gastgeber des Abends sind der Vorjahressieger Mans Zelmerlöw und die schwedische Komödiantin Petra Mede. Den Beiden muss man zugestehen, dass sie die Zuschauer sehr charmant und mit viel Witz durch den Abend führen. In der Votingpause performen die Beiden einen Song, der angeblich alle Qualitäten eines ESC Siegerliedes ausmacht - und ziehen die Veranstaltung damit ordentlich durch den Kaffee. Hier habe ich mehr als einmal herzlich gelacht. Unterstützung bekommen sie in ihrer Performance unter anderem durch die ehemaligen Sieger Lordi, die einmal mehr das europäische Publikum schocken dürfen. Als prominenter Act, darf Justin Timberlake die Bühne betreten. Auch wenn ich kein großer Bewunderer seiner Musik bin, war es schon sehr erstaunlich, dass so eine musikalische Größe beim ESC auftritt. Doch so nett die Rahmenbedingungen auch waren, eigentlich geht es ja um die Teilnehmer und ihre Songs und hier zeigt sich der ESC dieses Jahr schon fast handzahm.

Der polnische Beitrag, zählte mit unserer Jamie-Lee tatsächlich zu den wenigen Paradisvögeln.

Im Gegensatz zu den Jahren zuvor, gab es in diesem Jahr keinen richtigen Sonderling, zumindest nicht in der Kategorie Stefan Raab, Lordi oder der singenden Großmütter aus Polen. Tatsächlich ist es unsere Kandidatin Jamie-Lee, die mit ihrem verrückten Mangaoutfit und dem noch bekloppteren Kopfschmuck, an der Spitze der Absurditätenskala liegt. Direkt dahinter kommt dann der singene Zirkusdirektor Michael Szpak. Mit langen Haaren, schwarzlackierten Fingernägeln und der Pommesgabel, hatte ich im ersten Moment tatsächlich Hoffnung, wir würden echten Metal beim ESC zu hören bekommen, stattdessen gibt es eine typische Weichspülballade auf die Ohren. Der Rest der Kandidaten zeigt sich relativ handzahm, zumindest im Rahmen des ESC. Natürlich sind manche Kostüme und Kleider trotzdem jenseits aller guten Geschmäcker, aber das gehört auch irgendwie dazu. Warum man eine Dame, die im vierten Monat Schwanger ist, in ein ultra knappes Kleid stecken muss, bleibt mir trotzdem ein Rätsel. Nun gut, ich lasse also die Kandidaten über mich ergehen und wundere mich wie schon gesagt über die wenigen Freaks und die tatsächlich hohe Dichte von ordentlichen Songs. An Position 10 darf dann auch unsere kleine Jamie-Lee ran. Zu Beginn sichtlich nervös fängt sie sich aber und liefert eine ziemlich gute Performance ab. Für mich stand es zu diesem Zeitpunkt außer Frage, dass sie es zumindest in die Top Ten schaffen würde.

Die drei besten Auftritte und Lieder kamen aber aus anderen Nationen. Die in meinen Augen drittbeste Performance lieferte der Russe Sergey Lazarev ab, der übrigens auch bei den führenden Buchmachern ein ganz heißer Kandidat für den Sieg war. Sergey ist ohne Frage ein cooler Typ, mit Tattoos und Dauergrinsen, dürfte er vor allem die weiblichen Zuschauer zum schmelzen bringen. Sein Song ist zwar nicht mehr als eine gehobene Disconummer, die man so schon mehr als einmal gehört hat, aber auch super eingängig und ein wahrer Ohrwurm. Dazu kommt eine fantastische Bühnenshow. Unterstützt von einer Videoleinwand, wird sein Auftritt schon fast zu einer Illusionsshow - toll. 

 Der Russe Sergey Lazarev überzeugt mit einer bombastischen Bühnenshow.

Der zweitbeste Auftritt kommt aus Israel. Ich sollte aber passender sagen, der zweitbeste Song, denn der Auftritt von Sänger Hovi Star ist absolut nicht mein Fall. Eine Frisur zum davonlaufen und mit einem schwarzen Glitzeranzug, sieht der Kerl einfach nur übertrieben schwul aus.  Der Song "Made of Stars" haut mich dafür richtig vom Hocker. Ich mag ruhige, eindringliche Balladen, die nach hinten raus mit einer ordentlichen Steigerung sprichwörtlich explodieren. Genau das liefert Made of Stars. Für mich der beste Song des Abends, aber da hier das Gesamtpaket zählt, reicht es nur zum zweiten Platz. Auf Platz 1 steht für mich die Asiatin Dami Im, die Australien vertritt. Moment mal?! Australien bei einem europäischen Gesangswettbewerb - tja beim ESC ist nunmal alles möglich. Scheiß drauf, denn die zierliche Dame kann mit ihrer wuchtigen Stimme wahrscheinlich sogar Mauern einreißen. Hier zeigt sich gesanglich die wahrhaft beste Performance des Abends. Noch dazu kann Dami Im mit einer stimmigen Bühnenshow überzeugen, die herrliche Bodenständig bleibt. Und zu guter Letzt ist ihr Lied "Sound of Silence" ebenfalls richtig toll. Mal wieder handelt es sich um eine kraftvolle Ballade (an dieser Stelle fiel mir dann auf, dass ich durchaus eine schwäche für Balladen haben könnte - who knows?!). Nun möchte ich es nicht versäumen, die für mich schlechteste Performance zu erwähnen, denn sie sollte an diesem Abend noch eine tragende Rolle spielen. Bereits in ihrem Einspieler, wurde der Song der ukrainischen Sängerin Jamale erwähnt. In dem Lied mit dem Titel "1944" geht es um die Deportation der Krimtataren unter dem sowjetischen Diktator Josef Stalin, was Jamala am Beispiel ihrer eigenen Großmutter besingt. Nun kann und muss man sich zurecht fragen, ob solch ein politisch-ambitionierter Text, bei einer Veranstaltung wie dem ESC überhaupt eine Bühne bekommen sollte. Zu diesem Zeitpunkt war die Frage für mich aber gar nicht so präsent, denn der Auftritt von Jamala war einfach nur furchtbar. Ihr Gesang driftete stellenweise in ein schwerlich zu ertragendes Gejodel ab, während ihre "Tanzeinlagen" und gesamte Körpersprache eher nach einem epileptischen Anfall aussahen.

Jenseits der 23 Uhr wurde es dann endlich Zeit für die Punktevergabe. In diesem Jahr gab es beim ESC sogar eine mehr als gravierende Neuerung. Während in den Vorjahren die Jury und Fans der einzelnen Länder eine Gesamtpunktzahl von maximal 12 Punkten zu vergeben hatten, wurden diese Punkte nun voneinander getrennt. Das heißt es gab aus jedem Land 24 Punkte für den besten Auftritt - 12 von der Jury und 12 von dem Zuschauer-Voting. Spannend blieb aber, wie diese präsentiert werden sollte. Zuerst blieb alles beim Alten - nach und nach schaltete man sich durch die 42 Länder und bekam von den dortigen Repräsentanten die Punkte serviert. Schon hier zeigte sich meine erste Verwunderung, denn anscheinend gab es zwei heiße Favoriten: Dami Im aus Australien, die auch bei mir hoch im Kurs stand und tatsächlich Jamala aus der Ukraine, mit ihrem politisch-kontroversen Gejaule. Unsere kleine Jamie-Lee bekommt von der gesamten internationalen Jury übrigens nur einen Punkt und steht an letzter Stelle. Sehr, sehr schade und so drückte ich meine beiden Daumen dann doch lieber für Dami Im. Nach der Punktevergabe durch die Jury sieht es gut aus - gute 100 Punkte Vorsprung hat die zierliche Asiatin vor Jamala. Doch dann kommt das Voting der Zuschauer. Hier entschließt man sich die Punktewerte aus allen Ländern zu addieren und einfach von "Am wenigsten" zu "am meisten" einen kumulierten Wert zu vergeben. Und auch wenn der Russe Sergey Lavarez die meisten Punkte aus dem Publikum erhält, steht am Ende als Gewinnerin tatsächlich Jamala fest - what the fuck?!

 Jamala aus der Ukraine liefert eine grauenhafte Performance ab. Ihr Song "1994" hat außerdem einen politisch-ambitionierten Text.

Ich sinke entsetzt in mein Sofa und kann es eigentlich gar nicht richtig glauben. Diese schreckliche Performance, gesanglich absolut daneben mit einem mehr als austauschbaren Song soll der diesjährige Gewinner sein. Das Ergebnis macht eine durchaus spaßige und sehenswerte Veranstaltung zunichte und macht mich einfach nur wütend. Für den Erfolg kann es eigentlich nur eine Erklärung geben: der Text und genau hier liegt der Hase im Pfeffer. Die Regularien des ESC verbieten nämlich eigentlich jedes politische Statement im Wettbewerb. Auch das Abschneiden unserer Jamie-Lee macht mich wütend. Mit einer durchaus tollen Performance wird sie auf den letzten Platz abgestraft und unterstreicht, dass der ESC mittlerweile wahrscheinlich doch mehr politische Bühne, als reine Unterhaltsungsshow ist. Nach der Veranstaltung gab es in der Presse viele Berichterstattungen, die diese Behauptung untermauern. Ein Mitglied der European Broadcastin Union, hatte schon im Vorfeld in einem Interview angekündigt, dass man versuchen würde einen Sieg von Russland zu verhindern. Auch die Aufschlüsselung der Punkte aus dem Publikum spricht Bände. Hier war der russische Beitrag nämlich der Favorit, während es aus vielen Ländern von der Jury 0 Punkte gab. Das Ganze gipfelt dann darin, dass die Ukraine für die Veranstaltung im nächsten Jahr, schon Bedinungen an Russland stellt. Es dürfen nur diejenigen russischen Sänger teilnehmen, die anerkennen, dass „die Besetzung der Krim und die Okkupation ein Teil des Donbass Verbrechen ist“. Putin dagegen kündigt an, dass man die Veranstaltung im nächsten Jahr wahrscheinlich boykottieren werde. Ob ich nächstes Jahr wieder einschalten werde - aktuell stelle ich dahinter mal ein ganz großes Fragezeichen!

Zu guter Letzt, habe ich hier noch meine persönliche Punktevergabe für Euch



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