Mittwoch, 23. März 2016

REVIEW: X-COM 2


Das Genre der Rundenstrategie war vor allem in den 90er Jahren ein Garant für erstklassige Spiele und für volle Taschen bei den Publishern. Wer erinnert sich nicht an Spiele wie Civilization, Battle Isle, Master of Orion oder Heroes of Might and Magic. Nach und nach führte das Genre aber immer mehr ein Nischendasein, vor allem durch den Siegeszug der Echtzeitstrategie mit Titel wie Dune, Warcraft oder Command & Conquer. Doch 2012 kam es quasi zu einem kleinen Revival der Rundenstrategie als Take 2 mit X-Com: Enemy Unknown ein Überraschungshit gelang. Nach einem qualitativ ebenso hochwertigen Add-on, folgt nun ein paar Jahre später der Nachfolger mit dem schlichten Titel X-Com 2. In diesem Test werde ich Euch meine Erfahrungen mitteilen und Euch sagen, ob X-Com 2 ein würdiger Nachfolger geworden ist.

 Im Vorgänger versuchten die Aliens mit punktuellen Angriffen, die Erde zu erobern. Die multinationale, militärische Organisation XCOM versuchte diese Angriffe abzuwehren und zum Ende der Kampagne hin schien es, als wäre dieses Vorhaben erfolgreich. Doch kurz danach ergab sich der Rat der Nationen und öffnete so Tür und Tor für eine großangelegte Invasion der Aliens. Seitdem sind gut 20 Jahre vergangen.
Die Erde ist erobert und wird von dem ADVENT-Regime kontrolliert, welches völlig unter der Kontrolle der Aliens steht und die Alieninvasion durch geschickten Einsatz von Propaganda schönredet. Die XCOM Organisation wanderte in den Untergrund und agiert seitdem als geheime Widerstandsbewegung. Als Spieler übnehmen wir erneut die Rolle des Commanders, wobei man das Geschehen stets aus seinem Blickwinkel wahrnimmt. Zu Beginn der Kampagne wird der Commander aus einer Alieneinrichtung berfreit, in der er in Stasis gefangen gehalten wurde. 


 Um seine Soldaten zu verbessern, sollte man immer Upgrades für Waffen, Panter und Ausrüstung erforschen.

Die Basis von XCOM ist die Avenger, ein Alienschiff, welches mit dem Mineral Elerium betrieben wird. Beides konnte XCOM von den Aliens erbeuten und für die eigenen Zwecke umfunktionieren. Damit hat der Spieler keine statische Basis, sondern ein Luftschiff, welches er immer wieder von einem Ort zum anderen bewegen muss. Und das ist auch bitter nötig, denn schließlich brauchen die Menschen überall auf der Welt Hilfe. Doch der Reihe nach. Ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt in X-Com 2 ist eben dieses benannte Luftschiff, die Avenger. Zu Spielbeginn gibt es hier rudimentäre Räumlichkeiten, wie die Brücke oder ein Vorschungslabor. Nach und nach kann der Spieler weitere Räume errichten. Dafür ist es teilweise notwendig, Bereiche des Schiffs von Trümmern zu befreien. Der Spieler selbst entscheidet an dieser Stelle, welchen Räumlichkeiten er Priorität einräumt und welche er zuerst erichten möchte. Dabei ist eine gute Planung aber enorm wichtig, denn manche Räume tragen zum Fortschritt der Kampagne bei. Andere Räume erleichtern die Missionen ungemein und wieder andere sind Grundvoraussetzung, um überhaupt weiter zu bauen. Zum Beispiel benötigen alle Räume Strom, hat man also zu wenig Energierelais erichtet, ist man ganz schnell in einer Sackgasse. Manche Räume, die am Anfang unscheinbar wirken, entfalten erst im Spielverlauf ihr volles Potential. Zum Beispiel sollte man relativ früh im Spiel in Erwägung ziehen eine Guerillataktik-Schule zu bauen, weil sich damit die Squadgrößer erhöhen lässt. Hier gilt es also ein wenig zu planen, anstatt direkt wild "drauflos" zu bauen.

Die Avenger und ihre Räumlichkeiten sind ein wichtiger, taktischer Faktor in X-Com 2

Auch bei der Erforschung der zahlreichen Upgrades ist es wichtig, zu planen. Denn Forschung dauert Zeit und Wissenschaftler sind rare und teure Arbeitskräfte. Die Forschungsupgrades sind aber Überlebenswichtig, denn sie verbessern Waffen, Panzerung, Granaten und Ausrüstung der X-Com Soldaten. Will man zuerst lieber die Feuerkraft erhöhen oder seine Soldaten besser schützen? Setzt man eher auf die zerstörerische Kraft von Granaten oder die heilende Wirkung von Medipack? X-Com 2 lässt den Spieler an jeder Ecke strategisch wichtige Entscheidungen treffen. 

Dies setzt sich auch auf der taktischen Weltkarte fort, denn wie gesagt haben wir mit der Avenger eine mobile Einsatzzentrale, die in kurzer Zeit jeden Punkt auf der Erdkugel erreichen kann. Wobei dies besondrs am Anfang mit einer großen Einschränkung behaftet ist. Wir starten an einem zufällig ausgewählten Punkt auf dem Globus und haben Zugriff auf einige Länger bzw. Gebiete in unserem Umkreis. Um weitere Gebiete zu erreichen, müssen wir den lokalen Widerstand kontaktieren. Dafür müssen wir an Bord der Avenger Kommunikationszentralen bauen und anschließend noch Funktürme errichten. Dies frisst Zeit und Ressourcen, demnach ist auch hier ein taktischen Vorgehen unamdingbar. Als Gegenleistung bekommen wir durch jedes freigeschaltete Gebiet neue Ressourcen am Monatsende und steigern so unser Einkommen. Ressourcen gibt es zwei an der Zahl: Geld und Informationen, besonders Zweiteres ist selten und sollte am Anfang nicht verschwenderisch ausgegeben werden. 

Immer mal wieder gibt es Ereignisse und Orte auf der Weltkarte, die wir mit der Avenger "scannen" können. Das bedeutet im Prinzip nur, das wir auf einen Button klicken und eine bestimmte Anzahl an Tagen im Zeitraffer runterzählen. Dadurch können wir zusätzliche Ressourcen aber auch Personal erhalten. Neben Soldaten gibt es die bereits erwähnten Wissenschaftler und Ingenieure. Besonders die Ingenieure sind am Anfang essentiell, da sie benötigt werden, um neue Räume zu bauen. Ereignisse dagegen unterbrechen meistens den aktuellen Spielfluss und fordern von Euch ein sofortiges Eingreifen. Manchmal werden Stützpunkte des Widerstandsangegriffen, manchmal gilt es wichtige Personen zu retten. Und dann gibt es noch die sogenannten düsteren Ereignisse. Durch diese versuchen die Aliens ihre eigenen Truppen zu stärken oder X-Com zu behindern. Das tragische ist, dass wir als Spieler nie alle düsteren Ereignisse verhindern können, sondern wir müssen eins auswählen. Hier gilt es also zu entscheiden, welches das kleinere Übel ist.

Schlussendlich haben die Aliens aber ein großes Ziel, das geheimnisvolle Avatar Projekt zu vollenden. Und dabei geht es nicht um schlumpfblaue Dschungelbewohner, soviel ist sicher. Was genau sich hinter dem Avatar Projekt verbirgt, ist lange Zeit unklar und wird erst nach und nach im Verlauf der Story enthüllt. Für uns als Spieler ist nur wichtig, dass die Aliens das Projekt nicht erfolgreich abschließen. Dargestellt wird dies durch eine 12-stellige Fortschrittsleiste, die an bestimmen Wendepunkten der Handlung, oder wenn wir ungenutzt zu viel zeit verstreichen lassen, fortschreitet. Auch manche düsteren Ereignisse beschleunigen den Fortschritt des Avatar Projektes und so ist der Spieler an manchen Stellen im Spiel gezwungen, seine eigenen Plänge hinten an zustellen, um der Fertigstellung des Avatar Projektes entgegenzuwirken. Denn eine Fertigstellung bedeutet unausweichlich das "Game Over" für den Spieler.

Man merkt es schon: X-Com 2 ist ein taktisches Schwergewicht und verlangt den Spieler einiges in Sachen Planung ab. Wer einfach kopflos "drauflos" spielt, der wird sich ganz schnell in einer Sackgasse wiederfinden. Und bei all den ganzen Spielkomponenten wie Räume bauen, Forschung betreiben, Kontakte zum Widerstand knüpfen, Ressourcenmanagment und Verhindern des Avatar Projektes, haben wir noch gar nicht über den eigentlichen Kern des Spiels gesprochen: Die knallharten Missionen!




Zu Beginn des Spiels besteht unsere Einheit aus vier Soldaten, die allesamt noch recht grün hinter den Ohren sind. Die Squadgröße lässt sich im Laufe des Spiels auf 6 erhöhen und die Soldaten sammeln mit jedem getötetem Alien Erfahrungspunkte. Bei dem allerersten Level-Up wird die Klasse des Soldaten festgelegt, davon gibt es vier Stück: Ranger, Grenadier, Scharfschütze und Spezialist.
Ranger sind die geborenen Nahkämpfer und sind meistens an vorderster Front zu finden. Grenadiere sind Experten für schwere Waffen und Sprengstoffe und können großen Schaden verursachen. Scharfschützen sind auf größere Entfernung unglaublich präzise und tödlich, aber auch in der Bewegung eingeschränkt. Spezialisten dagegen sind vor allem für die Unterstützung des Trupps verantwortlich. Bei jedem weiteren Levenanstieg, kann man dem Soldaten eine zusätzliche Fähigkeit verleihen. Dabei kann man jede Klasse grundsätzlich in zwei unterschiedliche Richtungen entwickeln. Der Spezialist z.B. kann auf Heilung oder Hacken spezialisiert werden. Die zusätzlichen Fähigkeiten sind wertvoll und werden immer mächtiger. Das ist auch bitter nötig, denn die Einsätze sind teilweise richtig knackig. Am Grundprinzip hat sich nichts geändert, wir steuern unsere Soldaten rundenbasiert durch ein Areal, welches wir zu Beginn nicht vollends einsehen können. Jeder Soldat hat einen bestimmten Bewegungsradius und anschließend eine Aktion. Die Möglichkeiten sind vielfältig, es gibt Angreifen, Rennen, Nachladen, Feuerschutz, Gestand nutzen oder irgendeine Spezialfähigkeit.
Die Gebiete sind in unterschiedlichen Höhenstufen unterteilt, so kann man einen Scharfschützen zum Beispiel auf dem Dach eines Gebäudes platzieren, so dass er einen Großteil des Areals überblicken kann. Unterschiedliche Gebäude und Objekte bieten Schutz, unterbrechen aber auch die Sichtlinie und so ist ein bedachtes Vorgehen der Schlüssel zum Sieg. Wer seine Soldaten blindlings vorstürmen lässt, rennt wahrscheinlich direkt in einen Alientrupp und muss dann hilflos mit ansehen, wie seine Soldaten gegrillt werden. Eine beliebte Strategie im ersten X-Com war das seeehr langsame Fortasten und am Ende seiner Runde alle Soldaten in den Feuerschutzmodus zu versetzen. Dies wird in X-Com 2 größtenteils ausgehebelt, da viele Missionen ein Zeitlimit haben. So muss man zwar trotzdem mit Bedacht vorgehen, kann sich aber auch nicht alle Zeit der Welt lassen.

Die Aliens hetzen unseren Mariens eine ganze Palette an fiesen Gegner auf den Hals. Da gibt es die Standardsoldaten von ADVENT, die sogar noch wie normale Menschen aussehen. Später stellen sich uns Schlangenmischwesen, Roboter, Formwandler, Insektoiden und sogar KI-Soldaten in den Weg. Jedes dieser Aliens hat besondere Angriffe, Stärken und Schwächen, die man kennen und nutzen sollte. Damit unsere Soldaten optisch nicht gegen die Aliens abstinken, hat uns 2K Games die Möglichkeit gegeben, unsere Soldaten zu individualisieren. Der Umfang des Editors kann dabei fast mit Rollenspielen mithalten, denn wir können so gut wie alles an unseren Soldaten verändern: Name, Geschlecht, Herkunft, Gesichtform, Augenfarbe, Frisur, Accessoirs und und und. So ist es sogar möglich, bekannte Figuren aus anderen Spielen oder Filmen nachzubauen. Dies ist nicht nur eine nette Spielerei, sondern schafft eine gewisse Bindung zwischen Spieler und Soldaten. So überlegt man sich zweimal, ob man einen Soldaten opfert, oder ihn doch lieber rettet.

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Der Soldateneditor von X-com 2 ist sehr umfangreich. Hier hat ein findiger Spieler Snake aus Metal Gear gestaltet.


Auch grafisch hat X-Com 2 einen Sprung gemacht, so sind die Soldaten und Aliens noch einmal eine ganze Ecke detaillierter, gleiches gilt für die Umgebung. Waffeneffekte und Explosionen sind farbenfroh und wuchtig. Der Sound ist klasse und die deutsche Vertonung erste Sahne. Doch auch das beste PC-System wird mit X-Com 2 seine Probleme haben, denn die Performance ist nicht wirklich gut. Ruckler und lange Ladepausen sind an der Tagesordnung und sowohl auf Mid-Class, als auch auf High-End Rechner vorhanden. Hier sollte 2K games vielleicht noch einmal nachbessern. Die Steuerung mit Maus und Tastatur funktioniert gut, ist aber stellenweise etwas zu kompliziert geraten. Manchmal muss man 2-3 Mal klicken, obwohl dies nicht nötig gwesen wäre. Mein größter Kritikpunkt ist aber, dass das Spiel im Tutorial nur einen Bruchteil der Möglichkeiten erklärt. Vieles erfährt man nur durch Ausprobieren oder schlimmer noch durch Zufall. Bei meinem ersten Versuch, habe ich mich irgendwann in eine Sackgasse manövriert und das nur, weil ich eine bestimmte Sache nicht wusste. Der zweite Anlauf lief dann, mit der gesammelten Erfahrung und dem Wissen, sehr viel besser.

Fazit: X-Com 2 ist ein rundenbasiertes Strategie-Schwergewicht. Es ist ganz klar nichts für Zwischendurch und nichts für Hobby-Strategen. Hier muss man sich einfinden und wirklich planen und mit kühlen Kopf an die Sache gehen. Die Lernkurve ist sportlich und der Schwierigkeitsgrad besonders am Anfang nicht zu unterschätzen. Wenn man sich darauf einlässt, bekommt man aber das wahrscheinlich beste rundenbasierte Strategiespiel aller Zeiten. Die audiovisuelle Präsentation ist super, die Missionenen packen und schweißtreibend, die taktischen Möglichkeiten komplex und die Atmosphäre fesselnd. Wer sich einmal in X-Com 2 reingefuchst hat, der wird ein großartiges Spiel erleben und nach etlichen Stunden auch meistern.


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