Montag, 29. Mai 2017

REVIEW: Mass Effect Andromeda

https://images-na.ssl-images-amazon.com/images/I/91to%2B0%2BgqsL._SX342_.jpg

Wer mich kennt, der weiß, dass die Mass Effect Reihe meine absoluten Lieblingsspiele sind. Die Abenteuer von Commander Shepard und seiner Crew gehören für mich zu den aufregensten und emotionalsten Momenten meiner Videospielkarriere. Charaktere wie Tali, Liara oder Garrus sind bei mir nachhaltig im Gedächnis geblieben. Und auch wenn viele Fans es zerissen haben, das Ende von Mass Effect 3 (im Director´s Cut) war für mich ein nahezu perfekter Abschluss einer epischen Reise. Große Fußstapfen also, die der Nachfolger Andromeda füllen muss. Relativ früh wurde bekannt, dass Entwickler Bioware die Milchstraße und somit das bekannte Mass Effect Universum hinter sich lassen und zu neuen Ufern aufbrechen will. 600 Jahre nach Shepard und Co soll eine Kolonialisierung der Andromeda Galaxie im Mittelpunkt des neuen Mass Effect stehen. So schloß Bioware auch sehr grüh aus, dass man auch nur im entferntesten auf bekannte Gesichter aus den alten Mass Effect Teilen treffen kann. Selbst bei langlebigen Spezies wie den Asari, war dies nun unmöglich geworden. War es wirklich schon an der Zeit, die Milchstraße hinter sich zu lassen? Wie schlägt sich der neue Titelheld Ryder? Was bringt Andromeda für Neuerungen? Nach weit über 100 Spielstunden, bin ich nun bereit, ein finales Urteil über Mass Effect Andromeda abzugeben. Wie das ausfällt, erfahrt ihr in diesem Review.

https://s3.amazonaws.com/levelcamp-www/assets/editorial/2017/03/Mass-Effect-Andromeda-looks-amazing-on-PS4-Pro-pic4-header.jpg.png
Durch die schwebenden Gebilde am Himmel, fühlt man sich ein kleines bisschen
an Dragon Age Inqisition erinnert.

Die Kolonialisierung einer neuen Galaxie - das ist der Traum der Andromeda Initiative, die im Jahr 2185 mit insgesamt vier Kolonieschiffen, genannt Archen, nach Andromeda aufbricht. Neben den Menschen nehmen auch Asari, Salarianer, Kroganer und Turianer an der großangelegten Mission teil. Jede Arche hat etwas 20.000 Kolonisten im Kälteschlaf an Bord und wird geleitet von einem sogenannten Pathfinder. Dabei handelt es sich um ein Individuum mit hoher Lösungs- und Führungskompetenz. Außerdem ist jeder Pathfinder mit einer künstlichen Intelligenz, mit Namen SAM verbunden. Die Aufgabe der Pathfinder ist es, neue bewohnbare Welten für die Kolonisten der Andromeda Initiative zu finden. Als Heimathafen für die Archen soll die riesige Raumstation Nexus dienen, die schon vor den Archen im unfertigen Zustand nach Andromeda geschickt wurde. Doch die Ankunft in der neuen Galaxie verläuft nicht ganz nach Plan. Die menschliche Arche Hyperion kollidiert bei ihrer Ankunft mit der sogenannten Geißel. Ein energetisches und fremdartiges Gebilde, was sich durch weite Teile von Andromeda erstreckt. Auch die Nexus kollidierte während ihrer Ankunft mit der Geißel, wobei die obersten Anführer der Andromeda Initiative ihren Tod fanden. Der menschliche Pathfinder Alec Ryder behält trotzdem den Glauben an die Initiative und startet eine Erkundungsmission auf dem Planeten Habitat-7, einer sogenannten goldenen Welt. Diese sollen besonders geeignet für den Terraforming Prozess sein. Auf dem Planeten finden er und sein Sohn Scott eine riesiges, außerirdisches Gewölbe. Dieses sogenannte Reliktgewölbe wurde von unbekannten Wesen für das Terraforming erschaffen. Alec und Scott nehmen das Gewölbe in Betrieb und treffen kurz darauf auf die feindseligen Kett. In dem Kampf gegen die Kett, verliert Alec sein Leben und macht seinen Sohn Scott zum neuen menschlichen Pathfinder. Seine Aufgabe ist es, die goldenen Welten zu finden, die Reliktgewölbe zu aktivieren und somit eine neue Heimat für die Kolonisten der Andromeda Initiative zu schaffen.

Scott Ryder ist die männliche Variante der Spielfigur und erinnert eher an einen Sunnyboy,
als an einen Kämpfer für die Gerechtigkeit.

Mass Effect Andromeda ist ein gigantischer Abenteuerspielplatz. Wer allerdings darauf gehofft hat wie in No Man´s Sky unzählige Planeten erkünden zu dürfen, wird enttäuscht, denn es dürfen lediglich 7 goldene Welten besucht und erkundet werden. Dafür sind diese Planeten wirklich riesig und bieten massenhaft Nebenquests und Beschäftigungen. Außerdem sind die Planeten in Sachen Landschaft, Flora und Faune sehr unterschiedlich. Von Dschungel bis Eis- und Wüstenlandschaften ist alles dabei. Die Erkundung der Himmelskörper bis in den letzten Winkel zahlt sicher aber nur selten aus. Meistens findet man lediglich eine weitere Sammelquest. Von super geheimen Höhlen mit höchst effizienter Ausrüstung fehlt jede Spur. Die Erkundung findet sowohl zu Fuß, als auch mit dem Nomad statt, eine Weiterentwicklung des Mako aus Mass Effect 1. Wer auch immer bei Bioware auf die Idee gekommen ist, dieses Gefährt wieder auf die Spielerschaft loszulassen, sollte jedes Mal, wenn sich dieses Ding wieder irgendwo verkantet hat, eine unsichtbare Klatsche bekommen. Zugegeben, der Nomad steuert sich wesentlich besser als der Mako, aber noch immer hat man das Gefühl, als würde man auf Seife fahren. Noch dazu ist es für mich ein Rätsel, warum der Nomad zwei unterschiedliche "Gänge" hat, die man manuell auswählen muss, um Steigungen zu erklimmen.
Doch tatsächlich ist der Nomad bitter nötig, denn die Wege, die man von einem interessanten Ort zum nächsten zurücklegen muss, sind nicht ohne. Hier zeigt sich ein weiteres Problem der offenen Spielwelt: Es gibt zu wenig Spannendes, was man Abseits der Questpfade entdecken kann. A propos Quests, davon gibt es wie schon bei Dragon Age Inquisition eine riesige Menge. Leider wird man aber auch dieses Mal nicht vor der x-ten Sammelaufgabe verschont. Die Qualität der restlichen Aufgaben variieren sehr stark. Oft handelt es sich um irgendwelche 08/15 Botengänge oder ähnliches. Nur selten bekommt man außerhalb der Haupt- oder Begleitermissionen großes Gefühle geboten, was wirklich sehr schade ist.

Das flotte Kampfsystem ist die größte Stärke von Mass Effect Andromeda

Das Kampfsystem wurde im größtenteils aus Mass Effect 3 übernommen und im Detail verbessert. So spielt sich das ganze Geschehen noch einmal deutlich flüssiger, nicht zuletzt dadurch, dass die Spielfigur selbstständig in Deckung geht (endlich!). Wie auch in den Vorgängern hat man wieder drei unterschiedliche Charakterspezialisierungen zur Verfügung: Kampf, Tech und Biotik. Diesmal muss man sich aber nicht auf ein starres Konstrukt festlegen, sondern kann ohne Einschränkungen in allen drei Bereichen Punkte verteilen, um neue Fähigkeiten zu erlernen. Durch das Einsetzen von Punkten schaltet man dann unterschiedliche Profile frei. Hat man zum Beispiel einige Punkte in Kampf und Biotik investiert, steht einem das Profil Frontkämpfer zur Verfügung. Da man seine Punkte jederzeit gegen einen kleinen Obolus zurücksetzen darf, kann man unterschiedliche Fähigkeiten, Kombinationen und Profile ausprobieren. Eine kleine, aber tolle Neuerung fügt sich hier ebenfalls mit ein: der Jetpack. Damit kann man kurze Zeit in der Luft verbleiben und seine Lieblingstaktik weiter verfeinern. Kurzum: Das Kampfsystem in Andromeda macht richtig Laune.
Natürlich verlangt es für einen guten Kämpfer auch nach einer ebenso guten Ausrüstung. In Mass Effect Andromeda kann man neue Ausrüstung auf dreierlei Arten bekommen: finden, kaufen und craften. An dieser Stelle macht auch Mass Effect Andromeda einen, für mich persönlich unverzeihlichen Fehler - die besten Ausrüstungsgegenstände können selber hergestellt werden. Warum ist das aber so schlimm? Nun, weil man so sehr schnell das Interesse an jeder gefundenen Ausrüstung verliert. Was ich gelootet habe, war mir in 2/3 der kompletten Spielzeit völlig egal. Ich habe nur darauf gewartet, genügend Ressourcen und Forschungspunkte zu sammeln, um die nächste Stufe meiner N7 Rüstung zu craften. Hier bleibt Mass Effect 1 mit seinen vielen Möglichkeiten weiterhin der Klassenprimus der Reihe.

Die menschlichen Gesichter der Charaktere sind nicht wirklich hübsch geraten.

Über die grafische Qualität von Mass Effect Andromeda wurde ja bereits in den ersten Tagen nach Release eine ganze Menge geschrieben und diskutiert. Wie so oft bestätigt sich das alte Sprichtwort, "es wird nie so heiß gegessen, wie gekocht!". Allerdings muss auch ich einige kritische Aspekte anmerken und kann über einige grobe Schnitzer in der Präsentation nicht hinweg sehen. Mein größter Kritikpunkt sind tatsächlich die Gesichter der Charaktere, besonders die menschlichen Gesichtszüge sind allesamt nicht wirklich hübsch anzusehen. Hier hat das 5 Jahre ältere Mass Effect 3 die deutlich hübscheren Charaktere zu bieten. Was bei der eigenen Crew schon nicht ansehlich ist, wird bei den vielen NPCs noch deutlicher. Hier tümmeln sich teilweise abstrus hässliche Typen und hier findet man wirklich alles. Von Typ-Gesichtslähmung, über Typ-Theo Waigel Gedächnisaugenbraue bis hin zu Typ-bunter Afro ist wirklich alles vertreten. Achso und von dem schrottigen Charaktereditor wollen wir erst gar nicht anfangen. Wenigstens hat Bioware sehr schnell reagiert und zumindest das anfängliche Problem mit den "zuckenden" Augen schnell in den Griff bekommen. Im krassen Gegensatz zu den Charaktermodellen, stehen die schönen Landschaften Andromedas. Hier bekommt man teilweise wirklich hübsche Flecken zu sehen, z.b. wenn sich riesige, fluoreszierende Pilze in einer düsteren Dschungellandschaft erheben. Auch die Effekte bei Explosionen, Schilden, Laserstrahlen und Biotik sehen wirklich hübsch aus. Davon abgesehen ergeben sich aber auf der Playstation 4 (Pro!) ganz andere Baustellen. Da werden Texturen super spät nachgeladen, Strukturen ploppen plötzlich auf und gelegentliche Rückler trüben das Gesamtbild. Hier hat der PC deutlich die Nase vorn. In Sachen musikalischer Untermalung gibt es dagegen gar nichts zu meckern. Die passt wie die Faust auf´s Auge und kommt mit einigen wirklich gelungenen, neuen Themen daher. Auch die deutsche Synchronisation geht in Ordnung.

Nakmor Drack (links) und Vetra Nyx (mitte) sind die einzigen interessanten Charakterein Andromeda.

Der wichtigste Aspekt der Mass Effect Reihe sind die lebendigen Charaktere, die gefühlvollen Geschichten, die dramatischen Storywendungen und die folgeschweren Entscheidungen, die man als Spieler treffen muss. Und leider muss ich sagen, dass Mass Effect Andromeda hier auf ganzer Linie versagt. Dies ist zumindest mein ganz persönlicher Eindruck. Mir war klar, dass die Charaktere der Andromeda Crew große Fußstapfen zu füllen haben, aber dass sie so blass und austauschbar sind, hätte ich nicht erwartet. Von den 9 Crewmitgliedern können gerade einmal 2 mehr oder weniger überzeugen. Da hätten wir einmal Nakmor Drack, den alternden Kroganerkrieger. Er verfällt zwar immer mal wieder in das typische Verhalten eines Kroganers, ist dabei aber sehr witzig und tatsächlich auch besonnener, als viele seiner Artgenossen. Und als zweites noch Vetra Nyx, die weibliche Turianerin. Am Anfang scheint sie kühl und distanziert, taut aber im Verlauf der Handlung auf und wächst einem richtig ans Herz. Die restlichen Crewmitglieder bleiben wie gesagt blass und belanglos. Das trifft übrigens auch auf die restlichen Charaktere zu, die man im Verlauf der Handlung trifft und leider sogar auf den eigenen Hauptcharakter Ryder. Zwar zieht Bioware alle Register, um Sympatie und Mitgefühl für den jungen Helden zu wecken, doch über weite Strecken hat das für mich einfach nicht funktioniert. Ganz ähnlich verhält es sich mit der Handlung. Die Bedrohung durch die Reaper war eine so omnipräsente und gewaltige Gefahr, dass dieses Gefühl durch einen neuen Gegner und eine neue Aufgabe nur schwer erreicht werden konnte. Doch die Kett als neuer Gegner sind mir fast schon herzlich egal. Auch hier versucht Bioware durch den Aufstieg (eine Art Assimilation anderer Spezies) eine gewisse Dramatik aufkommen zu lassen, doch dies will bei mir einfach nicht funktionieren. Wenn ich den Kettsoldaten im Spiel gegenüberstehe, habe ich eben nur nerviges Kanonenfutter vor mir. Auch die kurze Erwähnung, dass es sich bei den Kett um ein Galaxiübergreifendes Imperium handelt, lässt mich einfach kalt. Dagegen wirkt die Aufgabe, neue Welten zu finden und bewohnbar zu machen, ja schon fast heroisch. Dabei gipfelt das ganze Geschehen aber in einem Finale, welches absolut unspektakulär inszeniert wurde. Und was ist eigentlich aus den folgeschweren Entscheidungen geworden, die sich nachhaltig und spürbar auf die Spielwelt ausgewirkt haben? Auch hier leider Fehlanzeige. Trotz das die Dialogoptionen verfeinert wurden, so dass es nun vier verschiedene Antwortmöglichkeiten gibt (Emotional, Logisch, Zwanglos und Professionell), merkt man viel zu selten unterschiedliche Reaktionen. Zwar darf man an einigen Stellen auch Entscheidungen treffen, jedoch hat man wie gesagt nie das Gefühl eine wirklich bedeutende Wahl zu treffen. Lediglich in einer Situation gab es von einem Crewmitglied eine größere Reaktion auf mein Handeln. Eine Entscheidung für oder gegen den galaktischen Rat, wie in Mass Effect 1 sucht man in Andromeda vergebens.

Fazit: Trotz der vielen Kritikpunkte ist Mass Effect Andromeda kein schlechtes Spiel. Für Entdecker und Sammler liefert Andromeda Futter für viele, viele Spielstunden. Auch Fans von actionreichen Kämpfen kommen, dank des hervorragenden Kampfsystem, auf ihre Kosten. Doch die wahren Qualitäten, sollten bei einem Teil des Mass Effect Universums, auf den Charakteren und einer epischen Geschichte liegen. Hier darf man von Andromeda leider nicht allzu viel erwarten. Hinzu kommen einige Unzulänglichkeiten wie die Ausrüstungsproblematik oder die grafischen Abstriche.
Am Ende kann man sagen, wer Dragon Age Inquisition mochte, der wird auch mit Mass Effect Andromeda ganz schnell warm werden. 
 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen